30. Dezember 2016

Rezension [Klassiker]: "Odyssee" von Homer


Titel: Odyssee
Autor: Homer
Übersetzer: Kurt Steinmann
Verlag: Penguin
Preis: 12,00€
Seiten: 448

Studiert man Geschichte, muss man in jedem Grundstudium auch „Alte Geschichte“ belegen. Und hat man dies getan, ist man erstaunt über die Quellenlage. Ich meine nicht etwas den logischen Punkt, dass sie schlecht ist (-denn natürlich gibt es umso weniger Fundstücke, desto länger das Ereignis zurückliegt). Ich meine den Punkt, dass man sich historisch tatsächlich auf die Epen Homers bezieht. Die „Ilias“ und die „Odyssee“ gelten als historische Quellen für den Trojanischen Krieg, die Zeit drum herum und natürlich danach. Geht das? Ein primär literarisches Werk als historische Quelle? Es muss sogar! Denn beide Werke sind sehr viel mehr als reine Geschichten. Wie viel Wahrheit in ihnen steckt und ob wirklich ein einziger Mensch beide Bücher geschrieben haben kann, ist umstritten. Unumstritten hingegen ist der Fakt, dass beide Werke zur Weltliteratur zählen. Und mit der neuen Übersetzung der „Odyssee“ von Kurt Steinmann leuchtet dies auch jedem Leser ein. Der künstlerische Stil und eine gelungene Syntax führen dazu, dass dieses Buch trotz ausholender Geschichte zu einem spannenden Meisterwerk wird.

Klappentext


Kurt Steinmanns vielgelobte Versübertragung der »Odyssee« verbindet in idealer Weise hohe Texttreue mit sprachlicher Eleganz. Mühelos gelingt es ihm, dem jahrtausendealten Menschheitsepos um die Abenteuer des listenreichen Odysseus und dessen Gefährten neues Leben einzuhauchen. So erstrahlen einige der berühmtesten Episoden der Weltliteratur – die Gefangenschaft beim Kyklopen Polyphem, die verführerischen Gesänge der Sirenen, die Bedrohung durch Skylla und Charybdis – in frischem Glanz. Von der Sorgfalt der reich kommentierten Neuübersetzung – erstmals 2007 bei Manesse erschienen – zeugt auch die Taschenbuch-Ausgabe des kanonischen Großklassikers.

Meinung


Liest man den Klappentext, springen einem sofort die lobenden Worte ins Auge. Das wirkt auf den ersten Blick manipulierend und kaum einzuhalten. Des Weiteren hat der Leser unglaublich hohe Ansprüche an diese Ausgabe. Doch nun folgt das große Aber. Die neue Ausgabe der „Odyssee“ aus dem Penguin Verlag hält, was sie verspricht! Ich hätte nicht erwartet, dass ich mich so lobend über dieses Buch äußern würde, aber ich unterstütze die Behauptungen der Eleganz, Texttreue und des neu eingehauchten Lebens. 
Man muss vieles bedenken, wenn man zu der „Odyssee“ greift. Sie ist zwar ein eigenständiges Werk, doch es kann nicht schaden, die „Ilias“ zu kennen. Ich habe sie vor einiger Zeit gelesen und mich durchgekämpft. Nach dem Lesen war ich nicht viel schlauer als zuvor. Doch es half mir dennoch für die „Odyssee“ und verdeutlichte mir nun, dass das zweite Werk einfach so viel besser ist. 
Möglicherweise liegt dies auch tatsächlich an der Übersetzung, aber gerade deswegen preise ich ja auch Kurt Steinmann. Kennt man keine anderen Zugänge, weiß man vielleicht nicht zu schätzen, was der Übersetzer für einen herausragenden Job gemacht hat. Während ich mit tief hängendem Gesicht über der „Ilias“ brütete, strahlten meine Augen geradezu bei der „Odyssee“. Vergebt mir, dass ich hier leicht übertreibe und versteht mich auch bitte nicht falsch. Dieses Buch ist absolut nichts für zwischendurch. Es ist trotz wunderbarer Sprache extrem schwer zu lesen und anstrengend. Noch nie habe ich ein Buch so langsam gelesen, wie die „Odyssee“. Man kann nicht mittendrin aufhören und später weiterlesen. Man sollte sich Zeit für dieses Buch nehmen. Die „Odyssee“ besteht aus 24 Gesängen, die allesamt in Versen geschrieben sind. Sie weisen eine deutliche Syntax auf, was das Lesen auf eine gewisse Weise erleichtert, der ungewohnte Satzbau aber auch dazu führt, dass man die Worte beinahe mitspricht. Um alles zu verstehen, liest man sich das Buch quasi selbst vor. Das ist kompliziert, aber auch künstlerisch – und vor allem zeitaufwendig. Dennoch überraschte mich ein Fakt extrem: Obwohl das Lesen anstrengend ist, ist das Buch irgendwie auch spannend. Die „Ilias“ empfand ich leider nie wirklich als spannend, obwohl die Handlung des Trojanischen Krieges ja einigen Input gibt. Die Taten des Odysseus hingegen sind wirkliche Abenteuer. Jeder findet in diesem Buch irgendeinen Verweis auf etwas, das er kennt. Ist dies nun der Kyklop („Zyklop“, für alle die Percy Jackson gelesen haben) Polyphem und den Trick von „Niemand“ oder kennt man den Geist des Sisyphus, der bis in alle Ewigkeit den Stein auf den Berg schieben muss, oder sagt einem der Name „Kalypso“ einfach nur etwas. Aus der Odyssee sind so viele Elemente entsprungen, die in unsere heutige Welt Einzug gefunden haben, dass es unglaublich faszinierend ist. Mir gefielen die Geschichten um Odysseus, auch wenn es einen Mann wie ihn nie gegeben haben kann. Vor allem die letzten Gesänge sind wirklich lesenswert und spannend. Und damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Der Erzählstil ist einfach mehr als gelungen. Und zusätzlich gibt es ausführliche Anmerkungen zu den Gesängen, in denen Worte geklärt werden. Dies ist hilfreich und interessant. Kurt Steinmann hat Großes mit dieser Übersetzung geleistet, denn sie lässt sich für einen griechischen Epos erstaunlich gut lesen. Woran aber auch er nichts ändern kann, ist der Inhalt. Aus heutiger Perspektive muss kritisiert werden, wie brutal dieses Buch vor allem zum Ende hin ist. Auch wenn man weiß, was passieren wird, wird der Freiermord unglaublich präzise beschrieben. Das ist abschreckend, aber war im 7. Jahrhundert vor Christus wohl ein Publikumsmagnet. Man sollte sich die Umstände einfach bewusst machen, dann kann man diese Seiten schnell hinter sich bringen. Ebenfalls etwas störend sind die ständigen Wiederholungen und Beschreibungen von Opfern oder Menschen. Aber auch das ist der Dichtkunst von Homer geschuldet und man kann es in einer Übersetzung nicht einfach weglassen. Dann wäre es ja nicht mehr Homer. 
Ich kann dieses Buch nicht normal rezensieren und nun auch noch etwas über die Figuren sagen oder diese kritisieren. Dass Odysseus im Mittelpunkt steht, sollte bekannt sein. Da es noch sehr viel mehr Figuren gibt, gibt es ja das Verzeichnis über Namen und Orte am Ende der Ausgabe. Des Weiteren findet man noch ein Nachwort von Walter Burkert, das sehr gelungen ist. Ebenfalls gern gelesen habe ich die Zeilen „Zur Übersetzung“ von Steinmann. Beide Texte vermitteln ein gutes Gefühl für das Gesamtwerk.

Fazit



Die Übersetzung der „Odyssee“ von Kurt Steinmann, die der Penguin Verlag als Taschenbuch herausgegeben hat, ist ein wahres Wunder. Es ist trotz schweren Stils sehr schön zu lesen und entführt in eine ganz andere Zeit. Die Geschichte um Odysseus ist spannend und voller Abenteuer. Zusätzlich bildet sie ein kleines Stück Allgemeinwissen und Weltliteratur. Und selbst, wenn man es sich nicht zutraut, dieses Meisterwerk zu lesen, wird dieses Buch in jedem Regal zum Schmuckstück. Denn nicht nur der Stil beinhaltet Eleganz – das Cover tut es auch. Ich vergebe 5 Spitzenschuhe, da alles andere eine Beleidigung wäre. Investiert die Zeit, es lohnt sich!






Vielen Dank an den Penguin Verlag für das wunderschöne Rezensionsexemplar!

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